Schlafstörungen
Der Schlaf – eine unbekannte Zeit?
Dieser Teil unseres Lebens verdient besondere Beachtung, da vom Schlafablauf unsere Lebensqualität ganz wesentlich beeinflusst wird. Der Schlaf ist neurophysiologisch nicht als einheitliche Ruhephase anzusehen, sondern setzt sich aus fünf bis sieben Mal wiederkehrenden unterschiedlichen Schlafstadien zusammen. Man unterscheidet mit verschiedenen Messtechniken die Stadien I bis IV und die „Phase der raschen Augenbewegungen“ (REM-Phase, paradoxe Schlafphase) in der die Gehirnfunktion dem Wachzustand entspricht, die Muskulatur aber maximal entspannt ist. In dieser Phase wird besonders viel und intensiv geträumt.
Schlaf – Lebenselixier und Jungbrunnen:
Auch wenn Schlaf für viele von uns als vertane Zeit erscheint, er ist wichtig, wenn wir nicht ausreichend schlafen, leben wir unverhältnismäßig kürzer. Abgesehen davon ist die Lebensqualität katastrophal. Eine Studie hat gezeigt, dass in den letzten fünfzig Jahren die durchschnittliche Schlafdauer der amerikanischen Landbevölkerung kontinuierlich rückläufig war. Dafür haben Übergewicht und Zivilisationskrankheiten zugenommen.
Die meisten Menschen sind über Schlafstörungen besorgt, besonders, wenn sie selbst das Gefühl haben, zu wenig oder zu schlecht geschlafen zu haben. Leider werden Schlafstörungen oft erst bemerkt, wenn es wirklich schlecht um uns bestellt ist. Ein gesunder Nachtschlaf bedeutet psychische und körperliche Stabilität. Zu wenig oder schlechter Schlaf macht uns krank und ist auch Zeichen für Krankheit.
Ärztliche Beratung, Diagnose und Behandlung sind nötig.
Schlechter Schlaf heißt nicht unbedingt Wachsein
Die Abfolge der Schlafstadien, wie oben abgebildet, wird „Schlafarchitektur“ genannt. Veränderungen der Schlafarchitektur, z.B. durch Atemstörungen, Lärm, psychische Belastung, Alkohol und Medikamente, bewirken sehr rasch ganz massive Verschlechterungen des Wohlbefindens durch Müdigkeit, Verlust der Leistungsfähigkeit, Depressivität und dem im Straßenverkehr so gefährlichen Sekundenschlaf.
Verbesserung der Schlafqualität ist langfristig nicht mit Schlaf- und Beruhigungsmittel zu erzielen, da diese nicht alle Schlafstadien gleichmäßig verlängern, sondern die Architektur des Schlafes zerstören. Durch Schlafhygiene (nicht medikamentöse Maßnahmen, die zur Schlafverbesserung führen), Tagesstrukturierung und Medikamente, die durch Steigerung der Tagesaktivität zu einer vermehrten Müdigkeit führen, kann mitunter physiologischer Schlaf wiederhergestellt werden.
Schlafhygiene:
Als Schlafhygiene werden bestimmte Maßnahmen und Verhaltensweisen bezeichnet, die der Nachtruhe zuträglich sind. Jedem ist klar, dass Aufregung, Streit, Belastungen vor dem Schlafen gehen den Schlaf verschlechtern. Aber auch Anschauen von aufregenden, actionreichen Filmen mit häufigen Szenenwechsel und lauter Musik sind für das Einschlafen nicht gut. Fitness- und Sportaktivitäten sollten etwa 2 Stunden vor dem zu Bett gehen beendet werden. Geräusche, Temperatur und Beleuchtung im Schlafraum – nicht nur während es Schlafens, sondern auch schon vorher spielen eine Rolle. Manche Menschen spüren geologische Störfelder, Wasseradern, magnetische Felder von Stromverbrauchern – auch das kann den Schlaf verschlechtern. Sogar Videos, CD’s und DVD’s im Schlafzimmer wird nachgesagt für manche Menschen, als Belastung zu wirken.
Besonders wichtig ist das Vermeiden von stimulierenden Medikamenten, Genussmitteln und opulenten Mahlzeiten nach 16 Uhr. Ein Problem kann auch der Mittagsschlaf sein. Der abendliche „Schlafdruck“ wird weniger, Einschalfstörung kann die Folge sein. Denken Sie auch daran, dass Alkohol meist keine physiologische Schlafverbesserung bringt, sondern eher eine Art „Narkose“ – nach dem Abbau der schlaffördernden Anteile bleibt ein stimulierender Effekt auf Herz und Kreislauf – der Körper möchte das Gift wieder loswerden. Dadurch ist man wach. Daher Reduktion von Alkohol insgesamt und besonders am späten Abend verbessert den Schlaf.
Noch ein wichtiger Punkt: Vermeiden Sie es im selben Bett, in dem Sie auch zur Nacht schlafen, sich sonst länger aufzuhalten. Es werden die „anderen“ Aktivitäten mit diesem Platz verknüpft und der Schlaf leidet darunter.
Natürliche Schlafanbahnung:
Kräutertees: Eisenkraut, Himbeerblätter, Fenchel, Kamille, Hopfen und Baldrian (auch Kräuterextrakte und Tinkturen), aber kein Johanneskraut oder Minze.
Bewegung: Abendwanderung, frische Luft, meditative Bewegungsübungen, keine Ruhe-Meditation im Sitzen, wenn man nachher noch zu Bett gehen muss, aber Liege-Meditation mit offenem Ende im Bett (eine Meditation, bei der man auch einschlafen kann, könnte auch als Einschlafhilfe dienen).
Kneipptechnik: kalte Güsse der Unterschenkel (Kniegüsse), rechts, zuletzt immer links, dann gleich zu Bett, ohne viel abtrocknen.
Entspannung: ruhige Entspannungs-Musik und Kassetten mit Einschlafhypnose, gleichförmige Geräusche, alles soll zuletzt langsam auslaufen und keine abrupten Lautstärkeänderungen aufweisen.
Selbsthypnose: Es gibt sehr viele Techniken, die Gedanken zu entleeren und sich zu entspannen (Autogenes Training, Erickson-Entspannungstechnik, Silva-Training …).
Medikamentöse Therapie von Schlafstörungen
Schlafmittel gehören zu den ältesten Arzneien überhaupt, sie wurden über die Jahrtausende verändert, verbessert, aber dennoch gibt es auch heute kein „Ideales Schlafmittel“. Die meisten Medikamente, die Sie als Schlafmittel bekommen, weisen problematische Nebenerscheinungen auf: sie können ihre Wirkung verlieren und abhängig machen. Sie können Gedächtnisstörungen und „Überhang“ machen, sie führen zu einem pathologischen Schlafmuster, der Schlaf ist auf Dauer nicht erfrischend. Daher gilt für ärztliches Handeln bei Schlafstörungen einmal mehr: Ursachen bekämpfen!
Die häufigste Ursache für Schlafstörungen mit weit mehr als 80% sind depressive Verstimmungen, und zwar unabhängig davon, dass sie dem Betroffenen bewusst sind oder nicht. Bei Erkrankungen aus dem depressiven Formenkreis, genauso wie bei stressbedingten Schlafstörungen sind die Überleitungen von einer Nervenzelle zur nächsten in bestimmten Gebietes des Gehirns gestört. Die Überträgersubstanzen: Serotonin, Noradrenalin, Dopamin, Tryptophan, Melantonin, aber auch Acetylcholin werden nicht in ausreichender Menge freigesetzt, um Impulse fortzuleiten. Im komplizierten Netzwerk von schlafbahnenden und schlafverhinderten, Aufmerksamkeit steigernden oder Wahrnehmungsfilter schaffenden, Gedanken zulassenden bzw. blockierenden Nervenbahnen überwiegen die aktivierenden Mechanismen. Dadurch kann Schlaf unmöglich sein, obwohl wir müde sind. „Im Kopf drehen sich die Gedanken, ich komme nicht zur Ruhe“ höre ich immer wieder.
Es gibt aber auch andere Ursachen von Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit: z.B. ständige Wachsamkeit nach schweren Traumen oder stressvollen Belastungen (postraumatische Belastungsstörung), Psychosen (z.B. Schizophrenie). Organische Ursachen können sein: Probleme mit der Luft, Stillstand der Atmung (Schlafapnoe), Schilddrüsenerkrankungen, Lebererkrankungen sind nur einige Beispiele.
Für eine wirkungsvolle und nachhaltige medikamentöse Therapie von Schlafstörungen ist eine genaue Analyse der Ursachen erforderlich. In den meisten Fällen ist eine gute und einfache Behandlung möglich, auch wenn sie nicht immer leicht zu finden ist und daher hohe Anforderungen an das Wissen und die Flexibilität des Arztes und an die Geduld des Patienten stellt. Anhaltende Schlafstörungen sind in jedem Fall ein Gesundheitsrisiko und müssen behandelt werden.
Nach eingehendem fachärztlichem Gespräch und einer Basisdiagnostik kann meist mit einer konsequenten Therapie begonnen werden. In vielen Fällen sind Antidepressiva die Mittel der ersten Wahl. Manchmal reichen ganz leichte Substanzen am Abend oder leicht aktivierende Medikamente in der Früh – das Ziel ist ein regelmäßiger, gesunder, natürlicher Schlaf!